Moma 7/8.2000 InhaltsverzeichnisNormal |
|
Florian Wick | Editorial |
Peter Rippmann |
TAGEBUCH Manifest gegen die Normalität |
Redaktionsgesprächmit Florianne Koechlin und Simonetta Sommaruga | Viele Hoffnungen (Viele Risiken) |
Urs Germann |
Norm und Normalität Kriminalität und Psychiatrie im Rückblick |
Maja Wicki |
Diese Flut von Schatten Erfolgreiche Psychotherapie unter Zwang? |
Urs Zürcher | Das Normale und das
Politische Zu Geschichte und Aktualität der Normalität |
Georg Schmid |
Normal essen, schlafen, lachen Sekten als Ausstieg aus der Normalwelt |
Hans Jakob Ritter und Florian Wick: Interview mit T. Szasz |
Verblasster Chic? Antipsychiatrie heute |
Edmund Schönenberger | Erstaunliche Parallelen Inquisition und Zwangspsychiatrie |
Andi Frei |
Wunsch und Wirklichkeit Patientenrechte und forensische Psychiatrie |
Roland Brunner |
Krieg ist Frieden Der ganz normale militärische Wahnsinn |
Yves Kramer |
Zwischen Herrschaft und Hilfe Soziale Arbeit und Normalitätsdiskurse |
Anni Lanz |
Zwang zur Konformität Zur Abstimmung über die 18%-Initiative |
Verena Soldati |
Forschung statt Menschenwürde? Regelung ganz normalen Forscherwahnsinns |
Lorenz Steinmann |
Der ganz normale Verkehr Abbau dem Stau! |
Dani Wintsch und Marcel Joos |
Wenn Widersprüche normal werden Alltag in Havanna |
Editorial |
Alles in Ordnung, alles normal
Was ist eigentlich "normal"? Falls Sie diese Frage nicht gleich beantworten können, mag das eventuell daran liegen, dass Sie so normal sind. Oder daran, dass "Normalität" ein nicht fassbarer Begriff ist, der je nach dem damit beschriebenen Sachverhalt ganz unterschiedliche Bedeutungen hat; eine Abstraktion, jedoch wegleitend für unser alltägliches Tun und Handeln. Völlig "normal" sein möchte eigentlich niemand. Normal bezeichnet in diesem Fall den faden Durchschnitt, das öde Mittelmass. Im Zeitalter des gepflegten Individualismus möchte kaum jemand dem Verdacht anheim fallen, nach Schema zu funktionieren. Trotzdem gibt es Dinge, die hierzulande offenbar durchgehend niemand will. Dazu zählt die gentechnisch manipulierte Nahrung. Hier hat sich breiter Widerstand erfolgreich gegen die Einführung von Genfood zur Wehr gesetzt. Genfood ist schlicht nicht die "normale" Nahrung, die gewünscht wird (vgl. S. 5). Was als "normal"/"abnormal" zu gelten hat, bestimmt eine Vielzahl von Einflüssen. Im kollektiven Gedächtnis eingegrabene Normen, Hegemonialstrukturen und die Meinungsbildung durch Politik und Medien tragen stark dazu bei, unsere Vorstellungen von Normalität zu prägen (S. 17, 34). Beim Gegensatzpaar "normal"/"abnormal" denken wir aber zuerst an die Psychiatrie. Widerstand gegen deren Definitions-Macht, wer als "geistesgesund" oder "-krank" zu gelten hat gibt es seit ihren Anfängen (S. 21, 27) – hier ist Einigkeit nicht absehbar. Die Normalitäts-Grenzen haben sich seither von starren in flexiblere gewandelt, die eine Erfassung des Graubereichs zwischen völlig Normalen und völlig Abnormalen ermöglichen (vgl. S. 10). Normal kann dasjenige sein, was wir als üblich und gewohnt ansehen. Den Weg dorthin ebnen sich InteressenvertreterInnen über Normalisierungsstrategien. Oder sind Sie (noch) nicht der Ansicht, dass Forschung an einwilligungsunfähigen Menschen erlaubt sein sollte und die Westtangente Zürich ohne grosses Verkehrsentlastungspotenzial für 4 Milliarden gebaut wird? Teilen Sie die Meinung nicht, dass, die Schweiz friedenserzwingende Auslandeinsätze ohne Mandat der Uno und/oder OSZE mitmachen soll, und ein Ausländeranteil von 18 Prozent in Ordnung geht, weil er ja der Wirtschaft weiterhin erlauben wird, die "effizientesten" ArbeitnehmerInnen trotzdem ins Land zu holen? (S. 39, 41, 31, 37). Dann sollten Sie sich schleunigst informieren. Bedenken? Unnötig. Werden Sie, wie einst Morgensterns Palmström "von einem Kraftfahrzeuge" real oder metaphorisch überfahren, obwohl alsobald klar steht "Wagen durften dort nicht fahren", wird sich das Erlebnis wie bei Palmström wohl nur als Traum herausstellen, "weil, so schliesst er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf". Nicht normal, aber als gewohntes Bild präsentiert sich die finanzielle Situation von MOMA. Wir konnten bisher viele neue AbonnentInnen gewinnen, vielen Dank! Dennoch haben wir das gesetzte Ziel von 150 Abos bis in den Sommer nicht erreicht. Der Notstand von MOMA soll aber nicht zur Norm werden, weshalb wir weiterhin – normativ – versuchen, weitere LeserInnen zu gewinnen. Für Ihre Unterstützung, sei es in Form von Geschenkabos oder Werbung bei FreundInnen und Bekannten, sind wir daher weiterhin zu herzlichem Dank verpflichtet. Florian Wick Florian Wick |
© MOMA 8031 Zürich |