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Nachtrag zu MOMA 6/7.99 Kein Krieg

Agani get?et und den Dialog getroffen

Je n?er eine politisch-diplomatische Beendigung der Nato-Schl?e gegen Jugoslawien r?kt, um so offener tritt der Kampf um die Macht innerhalb der kosovo-albanischen Szene zutage. Wird Hashim Ta? und seine Kosovo Befreiungsarmee U? die Nach-Kriegs-Regierung im Kosovo stellen oder gelingt Ibrahim Rugova und der Demokratischen Liga des Kosova LDK die R?kkehr an die Macht? Die beiden Str?ungen bek?pfen sich heute bitter und eine gemeinsame albanische Regierung aller Kr?te scheint unm?lich. Der Mann, der das Unm?liche h?te m?lich machen k?nen, wurde Anfang Mai ermordet: Fehmi Agani, einer der f?renden Vertreter der Gewaltfreiheit und des albanisch-serbischen Dialogs. Wenn ein Politiker die Suche nach Frieden und Vers?nung durch den Dialog personifizierte, dann war er es. Gem?s verschiedenen Angaben wurde er von der serbischen Polizei umgebracht.

von Violeta Orosi und Roland Brunner

Agani wurde 1932 in Djakovica, im Westen des Kosovo nahe der albanischen Grenze geboren und war einer der wichtigsten Intellektuellen seiner Generation. Agani studierte von 1951 bis 1955 an der Universit? Belgrad, wo er seinen Doktortitel in Soziologie erhielt, und sprach ausgezeichnet serbokroatisch. In den 60er und 70er-Jahren, als die Albaner des Kosovo unter Tito gesellschaftliche Emanzipation und eine Integration in die jugoslawische Gesellschaft er?fnet bekamen, setzte sich Agani an vorderster Stelle f? die albanische kulturelle Bewegung ein. Er arbeitete zuerst bei der kosovo-albanischen Zeitung "Rilindja", wurde 1967 zum Leiter des albanischen Instituts in Pristina ernannt und sp?er zum Rektor der Philosophischen Fakult? der Universit? von Pristina. 1981 wurde er mit vielen anderen entlassen, als es im Nachfeld der Studentenunruhen zu tiefgreifenden S?berungen gegen die kosovo-albanische Gesellschaft kam. 1984 wurde Agani gar aus der Partei, dem jugoslawischen Bund der Kommunisten, ausgeschlossen, f? die er im Kosovo bis 1981 eine wichtige ideologische Kraft war. Obwohl Agani damit pers?lich wegen seiner ethnischen Zugeh?igkeit zu den Opfern der Politik des serbischen Staates geh?te, wollte er nicht verbittern. Auch wenn er nur z?ernd in die Politik einstieg, geh?te er im Dezember 1989 zu den Gr?dungsmitgliedern und war einer der Vizepr?identen der Demokratischen Liga des Kosovo LDK, der wichtigsten politischen Kraft der Albaner vor dem Krieg. Agani, der den moderaten Fl?el innerhalb der LDK anf?rte, geh?te 1990 auch zu den Gr?dern der "Vereinigung f? eine jugoslawische demokratische Initiative" UJDI, einer intellektuellen Sammelbewegung, die dem aufkommenden Nationalismus und Separatismus in den Republiken eine Demokratisierung Jugoslawiens entgegensetzen wollte. Er blieb bis zum Ende einer der tatkr?tigsten und rationalsten Verhandler, der jederzeit zu Gespr?hen sowohl mit Belgrad als auch mit den radikalsten Figuren auf albanischer Seite bereit war, um eine friedliche Konfliktl?ung zu erreichen.

Respekt auch von seinen Gegnern

Agani genoss Vertrauen und Respekt auch unter seinen politischen Gegnern. Er war ein Vork?pfer: Nur ihm konnte es 1992 gelingen, mit Belgrad wieder Verhandlungen ?er die albanisch-sprachige Ausbildung im Kosovo aufzunehmen. Er ging seinen Weg trotz R?kschl?en und der Anklage, mit Belgrad zu diskutieren sei an sich schon Verrat an den nationalen Interessen der Albaner. 1996 setzte er mit zwei Kollegen seine Unterschrift unter ein Abkommen, das albanischen Sch?ern und Studenten die R?kkehr in die Schulgeb?de erm?lichen sollte.

Agani hatte auch Auseinandersetzungen mit dem Pr?identen der LDK Ibrahim Rugova. Er kritisierte, die LDK m?se aktiver politisieren. Als im Februar 1998 K?pfe im Kosovo ausbrachen, trat Agani als Vizepr?ident der Partei zur?k, blieb aber weiterhin als Berater von Rugova t?ig und nahm in jeder kosovo-albanischen Verhandlungsdelegation teil. So war er einer der wichtigsten Delegierten an den internationalen Friedensgespr?hen von Rambouillet und Paris im Februar und M?z 1999.

Agani wurde nie m?e, offen oder im geheimen nach Belgrad zu reisen und alle und jeden zu trefffen, von dem er sich einen Beitrag zu dem erhoffte, was er als den "Irrsinn" im Kosovo bezeichnete. Genauso wenig scheute er sich, immer wieder das Gespr?h mit Adem Demaci zu suchen, dem politischen Vertreter der Kosovo Befreiungsarmee U?, um ihn und die U? zu einer Unterschrift unter das Abkommen von Rambouillet zu bewegen. Agani glaubte in diesen Plan, denn er sah ihn als ersten Schritt in einem Prozess, der Kosovo aus der Tyrannei des jugoslawischen Pr?identen Slobodan Milosevic befreien w?de und der damit sowohl den Interessen der Albaner als auch der Serben diente.

Ein Mittler zwischen den Fronten

Mit dem Serben Dusan Janjic gr?dete er schon fr?er das "Forum f? Ethnische Beziehungen", um einen erbisch-albanischen Dialog zu etablieren. Janjic bezeichnete Agani als "geduldigen und beharrlichen Verhandler" und warnte, die Ermordung Aganis "zielt darauf, all diejenigen einzusch?htern, die den Dialog und die serbisch-albanische Verst?digung suchen, und will die Botschaft aussenden, wir k?nten nicht zusammenleben".

Albanische, serbische und internationale Journalisten und Diplomaten sch?zten Aganis Offenheit, Ehrlichkeit und seinen Verstand. Er nahm sich immer Zeit, Dinge zu erkl?en und erz?lte gerne unterhaltsame Anekdoten. Mahmut Bakalli, Vater der 1974 in der jugoslawischen Verfassung festgelegten Autonomie des Kosovo und ranghohes Mitglied der Regierung, lobt seinen Jugendfreund Agani in hohen T?en: "Er war moderat und kritisch, fordernd und vermittelnd zugleich. Immer stellte er die politischen ?erlegungen ?er das milit?ische Kalk?. Es ist f? die albanische Seite ein grosses Handicap, ihn verloren zu haben, denn er k?nte die Seiten auf konstruktive Art und um eine moderate Plattform zusammenbringen."

Optimist bis zum bitteren Ende

Agani blieb in Pristina, als die Nato-Bombardierungen begannen. Er hoffte, dieser Krieg werde schnell vorbei sein. Am 27. M?z wurde er zum letzten Mal in der ?fentlichkeit gesehen, als er am Begr?nis des von der serbischen Polizei ermordeten Rechtsanwalts und Menschenrechtsvertreters Bajram Kelmendi teilnahm. Obwohl die Nato an einer ihrer ersten Pressekonferenzen dann meldete, er und f?f weitere prominente Albaner seien hingerichtet worden, ?erlebte er die Vertreibung aus seiner Wohnung im Elite-Vorort Dragodan und versteckte sich f?f Wochen lang in verschiedenen sicheren H?sern in der ganzen Stadt zusammen mit seinem Sohn Shpend und mit Rexhep Ismaili, einem anderen kosovo-albanischen Intellektuellen.

In seinem Versteck begann Agani die Arbeit an einem Buch. Ismaili berichtet: "Wir mussten von Haus zu Haus ziehen, weil die serbischen Einheiten nach prominenten Albanern Ausschau hielten. Letzte Woche habe ich die Stadt verlassen, weil das Leben unm?lich wurde. Er (Agani) wollte nicht gehen." Aber die Situation verschlechterte sich weiter und wurde auch f? ihn zu gef?rlich. Mit seiner Frau und seinem Sohn versuchte er mit einem der Eisenbahnz?e an die mazedonische Grenze zu entkommen, die von den Serben zur Vertreibung der Albaner eingesetzt wurden. Nach Angaben eines Familienmitgliedes wurde der Zug an der Grenze von Blace abgewiesen, nachdem Mazedonien vor?ergehend die Grenze geschlossen hatte. Agani wurde aus dem Zug geholt, als er am folgenden Tag auf der R?kfahrt nach Pristina war. Am 8. Mai berichteten das serbische Fernsehen und verschiedene serbische Nachrichtenagenturen, seine Leiche sei nahe der Ortschaft Lipljan, 30 km s?lich von Pristina gefunden worden und behauptete, die U? habe ihn umgebracht. Seine Familienangeh?igen und die U? wiesen diese Behauptung zur?k und erkl?ten die serbische Polizei verantwortlich f? den Tod. Albaniens Ex-Pr?ident Sali Berisha, der politisch die LDK gegen die U? st?zt, verbreitete die serbische Fassung von der Ermordung durch die U?, w?rend Wolfgang Petritsch, Jugoslawien-Beauftragter der Europ?schen Union, noch wenige Stunden vor der Todesnachricht Aganis Festnahme durch die serbische Polizei gemeldet und seine sofortige Freilassung gefordert hatte.

Fehmi Agani war ein ewiger Optimist: "Es gibt immer Hoffnung. Wir m?sen hoffen, dass es besser wird." Kurz vor den Nato-Luftschl?en, nachdem der US-Gesandte Richard Holbrooke Belgrad mit leeren H?den verlassen hatte, wurde Agani gefragt, was jetzt kommen m?e: "Gott weiss es. Ich wage es nicht einmal, dar?er nachzudenken."

Das letzte Interview mit Fehmi Agani

* Violeta Orosi war lange Zeit Radiojournalistin in Pristina. Roland Brunner ist aktiv bei der Medienhilfe Ex-Jugoslawien in Z?ich.

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